Indienreise 2016 - Blog
Mittwoch 9. 11. Ohne Moos - nix los
Heute Nacht gab es etwas Wind. Die Fernsicht sei – so die Zeitungen in Delhi – von 80 auf 200 Meter gestiegen. Wir glauben das ist schön geredet. Viel wichtiger jedoch ist eine andere Nachricht. Seit heute gelten keine 500-er und 1000-er Rupienscheine mehr in Indien (500 Rs = ca.7 Euro). Die Regierung führt das in einer Blitzaktion durch, um Schwarzgeld aus dem Verkehr zu ziehen. Alle Geldautomaten und Banken bleiben geschlossen. Erlaubt sind nur noch die kleineren Scheine. Es ist so als, ob als Zahlungsmittel nur noch 1,50 Euro gelten. Unsere Vorräte an kleinen Scheinen sind sehr übersichtlich. Für eine Kokusnuss reichte es noch. Wir stehen im Feinstaub vor dem Roten Fort und kommen leider nicht rein.
Denn der Eintritt kostet 500 Rs pro Person. Kreditkarten und andere Währungen werden am Eintritt nicht akzeptiert. Das ist wirklich schade. Denn das Rote Fort beherbergt einmalige Mogularchitektur mit prächtigen Marmorpalästen, Intarsien etc. Der gewaltige Palastkomplex wurde übrigens mit dem Geld gebaut, dass die Mogulherrscher durch den Handel mit Schwarzpulver erwirtschafteten während de 30-jährigen Krieges. Eine eigentümliche Verbindung in unsere Region, wenn man bedenkt das solche Gegenden wie die Uckermark durch diesen Krieg die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren haben.
Wir besuchten die Jama Masid. Es ist die größte die Moschee in Asien, die der derselbe Schah errichtete, der auch das Rote Fort baute. Es ist eine Freiluftmoschee, die einen Platz von 100 mal 100 Metern umschließt. Herr Mittmann und Frau Gorys schafften es sogar auf eines der 60 Meter hohen Minarette zu klettern. Die Aussicht war auf den Platz der Moschee recht beeindruckend, darüber hinaus jedoch etwas verschleiert. Wir bummelten weiter durch die Altstadt. Durch die Einschränkung des Zahlungsverkehrs war in den Geschäften tote Hose. Kaum einer kaufte etwas. Dennoch war die Geschäftigkeit und der Lärm für uns ungeheuer. Was mag hier erst los sein, wenn die Leute auch etwas kaufen können? Manche Geschäfte waren sogar geschlossen und die Währungssache war das wichtigste Thema auf den Straßen, wie uns Mukut erzählte.
Da wir in die Moschee gekommen waren, dachten wir, wir versuchen es bei einem weiteren Komplex der sakralen Mogularchitektur, dem sogenannten Qutub Minar. Dazu fuhren wir mit der recht ordentlichen U-Bahn sehr weit in den Süden der Stadt. Beeindruckend war hier zu sehen, dass es einen eigenen Bereich für die Frauen auf dem Bahnsteig und in der U Bahn gibt. Nach den ersten Stationen war uns auch klar warum. Man steht in den Strecken der Stadtmitte so eng wie in einer Heringsdose. Die kräftige Klimatisierung lässt die Gerüche einigermaßen erträglich sein. Aber auch am Qutub Minar, einer Moschee mit einem hohen Steinminarrett aus dem 13. Jahrhundert und der berühmten Eisernen Säule aus dem 5. Jahrhundert (bis heute kein Rost!), bot sich das gleich Bild. Kein reinkommen, weil wir zu wenig kleine Geldscheine haben.
Nun sind wir in unser Hotel zurückgekehrt und bereiten uns auf unsere Rückreise vor. Es war eine schöne Reise und jeder von uns hat sein Indienerlebnis gehabt.
Hier ein paar Blitzlichter:
Andrea Gorys: „Die Wanderung zum Dorf Dalamara durch die vier Flüsse war das Schönste.“
Ernst Kreusler: „Mit dem Panzernashorn auf Du.“
Hans Mittmann: „Der Besuch und der Gottesdienst in Govindpur.“
Elkmar Schulze: „Das Schönste an der Reise ward ihr alle.“
Ulrich Schöntube: „Herzerfüllend das Treffen mit Freunden.“
Mukut Bodra: „Der Besuch in Rongagora und die Begegnung mit der Karbi-Kultur.“
Jutta Musetanu: „Die stoische Ruhe des Hundes, dem ich heute auf die Füße aus Versehen getreten bin. Typisch Indisch.
Wir hoffen Ihnen haben unsere Reiseeindrücke gefallen. Heute Nach fliegen wir zurück und morgen Vormittag sind wir schon in Frohnau. Unvorstellbar.
Liebe Grüße
Ihr Ulrich Schöntube
Dienstag, 8.11. Straßenbilder
Wir sind glücklich in Delhi gelandet. Von Tezpur sind wir vier Stunden nach Guwahati gefahren. Es war ein Reisetag. Keine spektakulären Erlebnisse. Aber dennoch gehen uns Bilder nach. Zum Beispiel der Affe, der interessiert schon in Tezpur ins Auto schaute;
Bunte Trucks, die uns auf dem Weg durch den zum Teil dichten Verkehr begleiteten. Wenn man sich ihnen von hinten nähert, liest auf der Heckklappe im indischen Englisch: „Horn do“, zu deutsch: Hupe machen. Man hupt sich gewissermaßen den Weg frei im Straßenverkehr. Das geht erstaunlich gut.
Je dichter wie Guwahati kommen, desto staubiger und voller wird der Verkehr. Mancher muss am Auto draußen dranhängen, um noch mit zu kommen. Was sitzen wir doch bequem in unseren Bolero Jeeps.
Die Luft ist staubig auf den Straßen. Mancher greift sogar zu einer Atemmaske. Hier in Delhi leidet die Bevölkerung seit Wochen aufgrund der klimatischen Lage an Smog. Die Feinstaubbelastung ist um ein vielfaches überschritten. Wir werden das den einen Tag, den wir hier sind, überleben und uns an guter Frohnauer Luft kurieren.
Der Höhepunkt des Tages war der Flug. Wir hatten uns wissend um die vermutliche Flugroute Plätze auf der rechten Seite gewünscht. Tatsächlich tauchten die Berge des Himmalaja auf Augenhöhe in der Abendsonne auf.
Ein atemberaubender Anblick.
Herzliche Grüße
Ihr Ulrich Schöntube
Montag, 7.11. Wilde Elefanten auf der Straße
Heute morgen verabschieden wir uns aus dem Gebiet des Stammes der Karbi. Pfarrer Terang, der uns in den letzten Tagen durch seinen Kirchenkreis geleitet hat, wünscht uns Gottes Segen. Unser Ziel ist Tezpur, eine Stadt auf der anderen Seite des Brahmaputra. Es ist eine etwa zweistündige Fahrt durch den Nationalpark. Ganz selbstverständlich begegnet uns auf der Straße ein Elefant. Er geht dort einfach spazieren. Unser Fahrer fährt vorbei, als wäre es das Normalste von der Welt. Wir erfahren später, dass manche Elefanten durch den weiten Brahmaputra schwimmen und auf der anderen Seite sich aus den Gärten Bananen holen.
Wir hingegen fahren über den breiten Strom. Ein Foto gibt die sagenhafte Breite dieses Flusses kaum wieder. Der Brahmaputra entspringt in Tibet als Zangpo. Er fließt auf dem Niveau von 4.000 Meter und fällt dann auf die Höhe Assam herunter. Das sind ungefähr 1.000 Meter. Man kann sich kaum vorstellen in unserem digitalen Zeitalter, dass die Verbindung zwischen diesen beiden Flüssen noch nicht gefunden wurde. Die Engländer haben im 19. Jahrhundert 1.000 markierte Holzstifte in den Zangpo geschüttet. Einige davon kamen im Brahmaputra an. Seit dem ist klar, dass die Flüsse zusammen gehören.
Ein Bild begleitete uns ständig während dieser Zeit. Es sind Kinder die in den Wasserlachen in der Nähe des Flusses mit kleinen Netzen und zum Teil mit den bloßen Händen fischen.
In Tezpur empfängt uns der Bischof der Nord-Diözese der Gossner-Kirche Niral Buyan. Das Gelände der Diözese liegt auf einer Anhöhe mit einem schönen Blick über den Fluss.
Nach einem kurzen Tee werden wir zu unserem Hotel gebracht. Am Nachmittag fahren wir zu dem Dorf Rajabeti. Es liegt idyllisch zwischen Reisfeldern. Die Gemeinde besteht seit 1934 und zählt heute 49 Familien. Die meisten von ihnen sind Feldarbeiter. Wir werden begrüßt mit der Zeremonie der Adivasi. Dazu gehört das Händewaschen. Wasser stiftet in ihrem Verständnis Gemeinschaft. Wir werden quasi durch das Wasser eingemeindet. Und wir bekommen Tücher und Blumenketten überreicht. Während des Programms wird viel gesungen. Die Kinder der Sonntagsschule stellen einen sogenannten Action-Song vor.
Dabei wird eine biblische Geschichte dargestellt. Schließlich singen wir zum Abschluss – es dämmert bereits – „Bleib bei uns Herr“ aus unserem Gesangbuch. Es ist auch hier bekannt.
Während des Empfangs begegnet uns auch der ehemalige Moderator der Gossner Kirche, Nelson Lakra. Er war der leitende Bischof der Kirche. Es ist ein herzliches Wiedersehen. Er hatte mich früher oft begleitet. Zum Ausklang des Tages sind wir beim Dorfschullehrer zum Abendessen eingeladen. Dabei war es etwas eigentümlich, dass wir nicht zusammensetzen. Als Gäste speisen wir in einem anderen Raum als die Gastgeber. Dies scheint jedoch durchaus normal zu sein. Denn so war es in den letzten Tagen auch.
Morgen reisen wir nach Gauwahati und werden nach Delhi zurückfliegen.
Liebe Grüße
Ihr Ulrich Schöntube
Sonntag, 6.11. - Vier Flüsse und eine Pfütze
Meine lieben Frohnauer Gemeindeglieder, ihr habt es doch denkbar einfach am Sonntag in den Gottesdienst zu gehen. Ihr müsst nur rechtzeitig aufstehen und ein paar Straßen entlang gehen, dem Glockengeläut folgen und schon sind freundliche Kirchenälteste zugegen am Eingang der Kirche.
Wir hingegen haben heute Strapazen auf uns genommen, um Grüße unserer Gemeinde zu überbringen. Da lagt ihr noch in den Betten! Wir waren eingeladen Barnabas Terang zu begleiten, der eine Gemeinde in den Bergen des Stammes der Karbi besuchen wollte. Wir fuhren sehr lange unwegsame Straßen mit den Jeeps. Dann war vor uns ein Fluss und die Autos konnten nicht weiter. Es regnet heute den ganzen Tag. Es geht zu Fuß weiter. Mit Regenschirmen ausgestattet, mit hochgekrempelten Hosenbeinen durchwaten wir das Wasser.
Es werden bis zu dem Dorf Dhalarma 4 Flüsse werden, die wir so durchqueren. Einer von uns muss sich mehrfach in die Büsche schlagen, wegen der indischen Krankheit. Als wir das Dorf erreichen, hat sich unser Mukut wohl in der letzten größeren Pfütze – es war eher ein See, durch den wir mussten – einen Blutegel eingefangen. Wir hatten es gar nicht bemerkt. Eine der Frauen aus der Gemeinde sah es sofort, als wir ankamen, stürzte auf uns zu und zupfte das Tier ab. Das hört sich alles dramatisch an. Das soll es auch! Denn ganz entgegen dieser „Faktenlage“ ist unsere Stimmung und die der Gemeinde nämlich ausgelassen und ausgesprochen fröhlich. Wir fühlen uns seltsam behütet und reich beschenkt an diesem Tag. Wir stellen am Ende unserer Wanderung auf dem Rückweg gemeinsam fest, das wir unsere Gefühle nicht recht beschreiben können. Wir sind bezaubert von den Menschen, den Begegnungen und der traumhaften Landschaft. Es war ein sehr, sehr glücklicher Tag.
Doch wie ging es weiter nach unserer Ankunft? Ein Teil der Gemeinde war schon gegangen. Denn wir waren zwei Stunden zu spät angekommen. Doch alle kamen wieder und füllten die kleine Kirche, die aus Bambusgeflecht und Lehm gebaut ist. Wir feiern fröhlich Gottesdienst, ohne dass über die Verzögerung ein Wort verloren wird (Das stelle man sich bei uns einmal vor!) Ich darf die Predigt halten, die direkt aus dem Englischen in die Karbi-Sprache übersetzt wird.
Zur Gemeinde gehören 19 Familien. Nach dem Gottesdienst sind wir zum Essen bei dem ersten Christen dieses Dorfes eingeladen, Golen Terang. Er war über lange Zeit der Einzige in seinem Dorf. Zum Essen gibt es im Bambus gekochten Klebreis, scharfen Chili, Schweinefleisch mit viel Fett und Tapjoka. Das ist die Wurzel einer Palme, die kartoffelähnlich schmeckt. Da keine Löffel da sind, lächelt Pfarrer Terang und sagt: „Nehmt die euch von Natur aus gegebenen Löffel.“ Nun sind wir angekommen und essen wie die Einheimischen mit den Fingern. Aber nur mit der rechten Hand! Unseren Kindern und Enkeln würde das gefallen.
Zum trinken gibt es einen Tee, der aus dem Garten der Familie stammt. Er ist nicht durch eine Teefabrik gelaufen, sondern frisch geerntet. Die Blätter werden zerstoßen und eine Nacht liegen gelassen. Sie fermentieren so an der Luftfeuchte. Dann kann der Tee auch schon getrunken werden. Es ist ein intensiverer Geschmack als der, den wir kennen. Während uns diese Prozedur gezeigt wird, hatte sich ein kleiner Welpe es bequem gemacht auf Herrn Mittmanns Schuhen.
Auf dem Rückweg durch das Tal, in dem das Dorf liegt, dämmert es bereits. Einige Reiswächter beziehen nun ihre
Position. Sie schlafen auf einem Gestell neben dem Reisfeld der Familie. Sie sind ausgestattet mit einer Karbidbüchse. Sie wird als lauter Knall abgefeuert, wenn sich Elefanten den Reisfeldern nähern und die Ernte zu zertrampeln drohen. Welch ein Einsatz für das tägliche Brot!
Herzlich grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Samstag, 5.11. Tee und Cola
Assam ist bei uns in Deutschland für den Tee bekannt, der hierherkommt. Heute hatten wir Gelegenheit, uns diesem Thema zu widmen. Aufgrund des relativ beständigen Klimas von Luftfeuchtigkeit und 30 Grad gedeiht hier der Assam-Teebaum. Ja, es ist in der Wildnis wirklich ein Baum. Er kann bis zu 15 Meter hoch werden. Kultiviert wird er jedoch auf Pflückhöhe gehalten.
Zunächst besuchten wir eine Teefabrik in Naambor. Hier werden von den umliegenden Teegärten die gepflückten Blätter hergeliefert. Die Blätter müssen schnell verarbeitet werden. Denn für den schwarzen Tee muss ein kontrollierter Oxdationsprozess eingeleitet werden (fermentieren). Die Blätter werden zunächst getrocknet, dass sie noch etwa 70% Feuchtigkeit enthalten. Dann werden sie einschließlich der abgepflückten Stile zerkleinert und durch Luft und Wasserdampfzufuhr fermentiert. Anschließend kommt die Masse in einen Trockner, in dem durch ein spezielles Rüttelverfahren, die zerkleinerten Teeblätter von den Stielen getrennt werden. Sie sind inzwischen zu Staub geworden. Er wird in Säcke verpackt und als Zutat weiter zu Coca Cola und Pepsi verarbeitet. Das wussten wir nicht – Na lecker, Kinder!
Die gereinigten Teeblätter werden dann durch ein spezielles Siebverfahren in sieben verschiedene Qualitätsstufen aufgegliedert. Der beste Tee ist hier der „Orange Peekok Brocken semi selected“. Wir dürfen ihn probieren. Er schmeckt aber irgendwie enttäuschend und nicht so kräftig, wie jene Tees, die wir hier schon bekommen haben.
Kommen wir zu den interessanten Fragen an den Manager: Wieviel verdient ein Arbeiter? „150 Rupien für sieben Stunden Arbeit und 20 Rupien pro Stunde, wenn er länger arbeitet.“ Das sind umgerechnet 1, 80 Euro pro Tag. Gearbeitet wird aber nur während der Erntezeit von April bis November.
Dann besuchen wir eine Kirchengemeinde, die in dem ein Teegarten liegt, der zu der Fabrik gehört. Sie trägt den Namen Shantipur. Wir kommen gerade an, als die Frauen mit ihrem Tagesertrag zur Umschlagstelle gehen. Eine Teepflückerin zeigt uns die Kunst des Pflückens. Sie rupft zwei Blätter und einen Blattansatz (Bud) flink ab. Bei besonderen Tees der ersten Ernte – wir haben jetzt die Dritte in der Saison – wird manchmal nur der Bud genommen. Das ist dann der „first-flush Tippi off“ Tee, der sehr weich und elegant schmeckt. Er kostet ordentlich.
Die Teearbeiterinnen hier pflücken pro Tag etwa 25 kg, die am Ende des Arbeitstages abgewogen werden. Lohn gibt es zweimal im Monat. Der Tagesverdienst ist der gleiche wie in der Fabrik. Nach dem Abwiegen bringen die Frauen den Sack mit den Blättern zum Laster. Ich darf mit großem Hallo das Balancieren ausprobieren. Gar nicht einfach. Bei dem Umschlagplatz begegnet uns eine Teepflückerin, die 80 Jahre alt ist. Sie schimpft, dass sie kaum noch die 25 kg schafft am Tag. Sie sei Witwe und müsste arbeiten. Dass sie überhaupt arbeiten kann in dem Teegarten der Naambor Fabrik, ist durchaus ungewöhnlich. Bei dem anschließenden Gemeindebesuch erzählen die Frauen, dass man nur bis 60 arbeiten darf. Die Fabrik will frische Arbeitskräfte. Deshalb wurden die Kinder auch schon mit 12 Jahren in den Teegarten zum Pflücken genommen. Dies hat jedoch der indische Staat kürzlich geändert. Jetzt darf man erst mit 18 Jahren arbeiten. Dennoch, so sagen die Frauen, geschieht es hier und da, dass Kinder im Teegarten arbeiten.
Als wir zurück in unserem einfachen Straßenhotel sind, habe ich mit Mukut auf unserem Zimmer eine unheimlich interessante arachnologische Begegnung. Wir sind uns sicher, dass nun nur wenig weitere Insekten im Zimmer sind. Sie sind nämlich aufgefressen. Und wir werden deshalb gut schlafen.
Herzliche Grüße
Ihr Ulrich Schöntube
Freitag, 4.11. Das Wort läuft
Unser Morgen begann mit einem spärlichen Frühstück. Es war nicht viel Zeit, denn es fuhr ein offener Jeep vor, der uns in den Kaziranga Nationalpark hinein brachte. Er erstreckt sich am Südufer des Brahmaputra. Große Attraktion ist eine umfangreiche Population von Panzernashörnern. Etwa zwei Drittel des weltweiten Bestandes leben hier. Man kann sich diesen scheuen Tieren besondern dicht auf einem Elefanten nähern. Wir konnten Plätze für einen solchen Ritt ergattern. Das Bild unserer Reisenden auf dem Elefanten war köstlich und tatsächlich kamen sie sehr dicht an eine Nashornmutter mit ihrem Jungtier heran. Sagenhaft. Da es einen Platz zu wenig war, genoss ich in der Stille die unfassbar schöne Aussicht. Tatsächlich erhoben sich in weiter Ferne Ausläufer des Himalajas (ca.7.000 m). Man mag es in dem Foto im Hintergrund erahnen.
Nach diesem Höhepunkt fuhren wir mit dem Autos in das Gebiet Karbi Anglong. Es wird von dem Stamm der Karbi bewohnt. Sie gehören schon nicht mehr zu der typisch indischen Bevölkerung, sondern zu den Volksgruppen der Khmer. Im Jahr 1964 konvertierte ein Karbi, namens Tete, zum Christentum. Er hatte die Adivasi kennengelernt, die aus Jharkhand als Teearbeiter hinaufgekommen waren. Heute gibt es etwa 80.000 Christen unter den Karbis, etwa 15 % der Gesamtbevölkerung des Stammes. In Rongagora empfing und Pfarrer Barnabas Terang.
Er ist so etwas wie ein Superintendent für die Karbi-Region. Sie ist kaum erschlossen. Er legt, um seine Pfarrer und Diakone zu besuchen, die Wege meist zu Fuss zurück. Wir werden von der Gemeinde in Rongagora prächtig empfangen. Die Frauen tanzten in ihrer typischen roten Tacht. Interessant ist auch eine Seitenszene. Die Musik wird mit erfindungsreicher Handy-Mikrophon-Technik übertragen.
Wir werden mit Tüchern, die in ihrem Design gehalten sind, beschenkt. Wir trauen uns sogar, sie uns umzubinden zu lassen, wie es die Männer hier tun.
Unserem Reisebegleiter Mukut Bodra steht das Tuch ausgezeichnet. Pfarrer Terang hält eine flammende Rede mit einem biblischen Motto, das Lukas in der Apostelgeschichte verwendet: „Komm herüber und hilf und in Mazedonien.“ (Apg 16,9)
Er wirbt darum, dass wir die Geschichte der Karbi weiter erzählen und den Weg seiner Gemeinden begleiten. Wir singen und spielen daraufhin gemeinsam das alte Erweckungslied: „Welch ein Freund ist unser Jesus.“ Es wird bei uns in landeskirchlichen Kreisen kaum gesungen. Aber dieser Hymnus ist hier sehr bekannt hier. Und natürlich singt auch wieder der spontane Fronauer Auslands-Einsatzchor. Wir werden immer besser!
Am Ende zeigt uns Pfarrer Terang seinen Kirchenneubau. „Wie finanzierst Du das?“ Terang lächelt verschmitzt. „Es sind Spenden und auch der Staat beteiligt sich.“ Der Staat? „Ja es ist ja eine Community Hall – Mehrzweckhalle.“ Incredible India! Das ist schon sagenhaft, weil auf der anderen Seite die Christen auch in dieser Region systematisch benachteiligt werden. Es gibt hier eine paramilitärische hinduistische Vereinigung, die die Verwaltung beeinflusst. Wie Bruder Terang einen Kirchenbau hinbekommen hat, bleibt ein Rästel.
Wir sind an diesem Abend über die Lebendigkeit des christlichen Glaubens beeindruckt und die Kraft seines Wachstums. Das Wort läuft.
Herzlich grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Donnerstag, 3.11. Kalkutta – Assam
Wir sind müde und geschafft. Denn hinter uns liegt eine 24-stündige Reise. Es fing an mit der besonderen Erfahrung eines indischen Nachtzuges. Er lies uns um 7 Uhr in Kalkutta ankommen. Wir erfrischten uns in einem Gästehaus der Church of North India und hatten sogar noch Zeit, das Haus von Mutter Theresa zu besuchen. Sie ist kürzlich für ihre selbstlose Arbeit an den Leprakranken dieser Stadt heilig gesprochen worden. An dem Ort, dem Hauptsitz der „Missionaries of Charity“, hat sich an sich seit der Heiligsprechung nichts wesentlich geändert. Sie ist schlicht in einer weißen Tumba in einem Gebetsraum bestattet. Darauf liegt in Blütenblättern gelegt „For Jesus“. Ihr Lebensmotto war, in dem Leidenden ganz gleich welcher Religion er angehört, das Antlitz Christi zu sehen. Auf ihre Heiligsprechung weist lediglich hin, dass der Besucher gebeten wird, die Blumenblätter von ihrem Grab mitzunehmen.
Nach dem Besuch fahren wir durch die Straßen Kalkuttas zum Flughafen. Es sind eindrückliche Bilder, die wir sehen. Da sind zum Beispiel die Menschen, die ohne Behausung auf der Straße leben und sich an laufenden Hydranten waschen. Da ist zum Beispiel der Fahrer einer Handriksha, der sie liebevoll am Straßenrand wäscht. Vor einigen Jahren sollte der Handbetrieb der Rikshas, den es nur hier in Kalkutta gibt, übrigens abgeschafft werden. Er widerspreche der Menschenwürde. Es gab einen Aufstand dieser Rikshafahrer selbst. Kaum vorstellbar.
Neben dem Verkehr werden Ziegen und Kühe durch die Straßen getrieben. Die Ziegen haben sogar einen Maulkorb. Offenbar sollen sie keinen Müll fressen, der die Straßen an einigen Stellen kräftig säumt. Mit diesem Schutz kann der Hirte wie ein Stadtmensch ganz beruhigt in seinem Smartphone tippen.
Von Kalkutta sind wir nach Gauwahati in Assam geflogen. Auch hier wollen wir Gemeinden besuchen. Nun nach einer 6 stündigen Autofahrt sind wir ganz schön kaputt. Wir sind mitten im Kaziranga Nationalpark. Verkehrsschilder weisen uns in der Dunkelheit unmissverständlich auf die große Population von Panzernashörnern hin. Immer wieder ist zu lesen „Drive slow – Annual animal path“ (Fahr langsam – diesjähriger Tierweg). Wir hoffen eines dieser Tiere bei Tageslicht zu sehen und hier ein Foto davon zu präsentieren.
Herzlich Grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Mittwoch, 2. November 2016 - Missionstag
Das Bild des Tages haben wir auf dem Friedhof gemacht. Eine Kuh weidet mit ihren sechs Familienmitgliedern zwischen den Gräbern. Sie sorgt dafür, dass die Gräber nicht zuwachsen. Der Brauch überrascht, Gräber ungeschmückt zu belassen und sie nur zur Osternacht mit Blumen und Lichtern zu schmücken. Dies mag damit zu tun haben, dass sich die christlichen Adivasi bewusst in ihrer Vorstellung gegenüber ihrer Umwelt absetzen wollen. In der ursprünglichen Sarna-Religion der Adivasi können die Toten einen umgeben wie Geister, sogenannte Bongas. Sie begleichen auch offene Rechnungen. Das macht Angst. Insofern ist für den christlichen Adivasi der Verstorbene allein bei Gott und wird am Ende der Tage auferweckt werden. Deshalb braucht es kein geschmücktes Grab, außer am Osterfest.
Der Tag begann für uns um 6.30 Uhr in der restaurierten Kapelle der ersten Missionare mit einer Andacht. Dann folgte ein Gottesdienst, in dem der Ankunft der ersten Missionare gedacht wurde. Er fand in einem Festzelt an jenem Stein statt, wo sie ihr Zelt am 2.11. 1845 aufgeschlagen hatten. Es musizieren verschiedene Gruppen. Sogar die Bischöfe und Pfarrer stellen einen eigenen Chor, neben den Frauen und Kindern. Das ist eine kleine Sensation. Auch unser spontaner Frohnauer Auslandseinsatzchor sang. Er ist verstärkt durch Direktor Reiser, der die Predigt hielt. Eine lustige Nebenszene war der aufmerksam lauschende Hund, der in dem dreistündigen Gottesdienst sich es vorne ganz gemütlich gemacht hatte.
Am Nachmittag fand ein großer caritativer Gemeindemarkt statt, den die Frauengruppen der Gemeinden organisieren. Auf der Bühne musizieren verschiedene Musik und Tanzgruppen. Höhepunkt ist ein Sologesang eines spontan erfundenen Mundariliedes über die Früchte der Mission von Mato. Er ist unser Koch im Lal Bangalo.
Wir haben nun noch einmal köstlich gegessen und sitzen auf gepackten Koffern.
Denn gleich geht es nach Kalkutta mit dem Nachtzug zu unserer nächsten Etappe. Wir bitten unsere Leser um Geduld. Denn wie der Internetzugang in Assam sein wird, wissen wir noch nicht.
Herzlich grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Dienstag, 1. November 2016 - Fußbälle und Strohhalme
Der Tag begann mit einer Heldentat. Wir wollten in das kirchliche Internat fahren, in dem unsere Gemeinde ein Patenkind unterstützt. Dazu hatten wir vor, ein paar Fußbälle zu kaufen. Aber die Geschäfte haben zu wegen der Diwali-Feierlichkeiten und überhaupt, am ersten Dienstag des Monats ist sowieso alles geschlossen. Incredible India. Es bedurfte einiger Beharrlichkeit, den Besitzer eines Ladens ausfindig zu machen. Nach einer halben Stunde hatten wir drei Fußbälle. Aber ohne Luft. Was nun? Irgendwo im Hinterhof einer Autowerkstatt machten Herr Mittmann und Mukut Bodra, unser Begleiter, einen Kompressor ausfindig. Die Kinder in dem Internat in Kunti freuten sich sehr über die Bälle. Wir wurden empfangen mit Liedern und Tänzen. Wir antworteten wieder mit unserem spontanen Frohnauer Auslandseinsatzchor.
Schließlich durften wir Bulbul Horo begegnen, die in dem Hostel seit Januar lebt. In unserem Kindergottesdienst wird jeden Sonntag für diesen Hostelplatz gesammelt. Frau Gorys aus dem Kindergottesdienstteam übereicht ganz viele Bilder aus dem Frohnauer Kindergottesdienst. Es ist schön unser Patenkind kennenzulernen. Sie stammt aus einem Dorf in der Nähe von Govindpur, das wir besuchten. Ihr Vater ist schwerbehindert und kann nicht arbeiten. So verdient die Mutter durch den Anbau und Verkauf von Kichererbsen den spärlichen Unterhalt der Familie. Bulbul ist die älteste von drei Kindern in ihrer Familie. Nach dem offiziellen Teil taut sie auch sichtlich auf und überreicht auch uns ein Bild für den Kindergottesdienst, das sie gemalt hat.
Nach dem Mittagessen fahren wir in ein Dorf, das südlich von Kunti liegt, Burju. Hier empfängt uns eine kleine Gruppe von 40 Leuten aus der Gemeinde und ihrer Umgebung. Besonders beeindruckt uns der Empfang der Frauen, die uns in einem wiegenden Tanzschritt zur Kirche geleiten. Sie ahmen damit das Wasser nach, das für Ihre Kultur neben dem Wald und dem Acker eine große Bedeutung hat. Es ist der „Strom des Lebens“ der uns zusammenbringt. Im Schmuck der Frauen wird das Wasser nun neuerdings durch einen tollen Kopfschmuck aus Strohhalmen ausgedrückt.
Der Ort und die Kirche in Burju sind für die Gossner-Kirche bedeutungsvoll, weil hier 1846 schon eine Missionsstation gegründet wurde. Hier wurde auch die Bibel durch den Missionar und Sprachwissenschaftler Alfred Nottrott ins Mundari übersetzt.
Abends wurden wir überrascht. Denn unsere Gastgeber, der leitende Bischof Johan Dang, haben in unserer Unterkunft, dem Lal Bangalo, ein Abendessen organisiert. Zu Gast ist der deutsche Generalkonsul aus Kalkutta Olaf Iversen, der morgen zum Missionstag als Ehrengast zugegen sein wird. Dabei ist auch der Direktor der Gossner Mission Christian Reiser. Es war ein interessanter Abend. Unter anderem lernten wir, dass Indien pro Jahr 1 Milliarde Euro staatliche Entwicklungshilfe bekommt. Das ist nachdenkenswert, denn es ist ja ein Schwellenland. Andererseits begegnet uns gerade hier auf dem Land viel Armut.
Morgen müssen wir zeitig raus. Um 6.30 Uhr beginnt der Missionstag. Es wird der Ankunft der ersten Missionare gedacht. Abends werden wir nach Kalkutta mit dem Zug fahren und dann weiter nach Assam reisen.
In Vorfreude auf neue Abenteuer grüßt Sie herzlich
Ihr Ulrich Schöntube
Montag, 31. Oktober 2016 - Reformationstag - Indisches Tempo
Das Bild des Tages haben wir aus dem Fenster des Theologischen Colleges der Kirche fotografiert. Weil die Finanzlage so knapp ist, wird das Gelände des Colleges oft an Hochzeiten vermietet. So sehen wir direkt in das Herz einer Hochzeitsküche. Es werden 1.000 Gäste erwartet. Die Frauen bereiten die Teller und den Fisch mit Köpfen und Schwänzen auf dem Boden hockend vor. Wir haben Zeit, uns das Treiben jenseits deutscher Küchenhygiene ganz genau anzusehen. Denn eigentlich warten wir. Die Kirche hat zum heutigen Reformationstag ein festliches Seminar organisiert hat und als deutsche Reisegruppe sind wir im ersten Teil Ehrengäste. Denn wir sind aus dem Stammland der Reformation. Danke Martin Luther! Es soll 9. 30 losgehen. Aber die Ersten kommen die erst 5 Minuten später angeschlurft. Dann wird es doch noch etwas voller und feierlich. Die Gemeinde singt „Ein feste Burg ist unser Gott“ im Stehen. Feierlichkeit äußert sich hier einem langsamen Tempo. Mit Manish Ecka einem Kirchenmusiker, der in Dresden studiert hat, darf ich das Lied mit der Trompete begleiten. Wir haben etwas Mühe. Wir wollen nämlich deutsches Tempo! Aber wir schaffen es nicht. Die Gemeinde ist stärker. Bei der dritten Strophe fügen wir uns. Das ist doch sehr symbolisch.
Nach fielen Worten wird schließlich ein Buch vorgestellt, das ich mit dem theologischen College herausgeben habe. „Gospel in Transformation.“ Mit solchen Transformationen tun wir uns oft schwer, besonders wenn es um das Thema Zeit geht.
Am Nachmittag findet dann eine akademische Tagung statt, in der das Erbe der Reformation im Licht der Adivasi-Kultur reflektiert wird. Der Vortrag eines jungen Theologen sticht in seiner Klarheit sehr hervor. Er interpretiert Reformation als Befreiung nicht nur des geistlichen Menschen, sondern auch seiner Lebensumstände. Nach den Vorstellungen der hiesigen Völker wird der Mensch bestimmt durch Wasser, Wald, Acker und den Mitmenschen (Jail – Jungle-Jamin-Jan). Alles ist mit allem verbunden. So sei Reformation ein Prozess an Gottes Bewegung in der Welt teilzuhaben, die sich in der gelingenden Verbindung des Menschen mit allem in der Natur zeigt. Es ist ein ungewöhnliches Denken für uns, weil wir Europäer Reformation immer als geistliches Freiwerden von Schuld ohne Werke verstehen. Hier aber ist Freiwerden ein ganzheitlicher Prozess, in den ein entsprechendes ethisches Verhalten in der Verbundenheit alles Lebens einbezogen ist. Gottes Sein ist in allem Werden. Sehr nachdenkenswert und vielleicht hängt nicht umsonst in diesem Raum dieses aussagekräftige Plakat.
Während ich nun über die theoretischen Dinge Nachsinnen darf und mir Vorträge indischen Tempos anhöre, sind meine Frohnauer Mitreisenden unterwegs. Das begann mit einer kleinen Enttäuschung. Denn ursprünglich wollten sie einen bekannten Hindu-Tempel auf einem Berg besuchen. Das wollten unsere Gastgeber ganz dringend nicht. Denn die Situation zwischen Christen und Hindus ist in den letzten Tagen sehr aufgeheizt. Gestern ist in dem benachbarten Bundesstaat Madhya Pradesh eine Christin, die den Gottesdienst besuchen wollte, öffentlich verbrannt worden durch radikale Hindus. Der Film und Fotos darüber werden vor allem unter den Jugendlichen über die Smartphones geteilt. Also ging es zu einem Adivasi-Museum, das leider geschlossen war wegen Diwali. Indisches Tempo! Aber nun wollten sie es wissen und fuhren zum nächsten Museum, einem Völkerkundemuseum. Hier werden die verschiedenen Stämme vorgestellt, die in Jharkhand leben, insgesamt 32 verschiedene Volksgruppen. Erstaunlich ist, dass die meisten von ihnen in ihrer Population wachsen. Manche haben nur 300 Mitglieder. Es wird kaum untereinander geheiratet, wie Ashish Topno ihnen erzählte, der sie begleitete. Staunend über diesen Reichtum tranken sie dann in einem geologischen Park einen Soft-Drink. Herr Schulze probierte sogar eine Masala-Cola und lebt noch.
Nach einem fürstlichen Essen in einem Restaurant klang der Nachmittag aus mit diversen Erkundungen in Geschäften nach Tüchern und anderen Überraschungen für die Familien. Besonders freut uns heute Abend ein Reformations-Hopfengetränk, dessen Namen wir nicht aussprechen wollen. Denn solche Getränke sind bei unseren Gastgebern nicht erlaubt. Aber wir sind in dem Gästehaus unter uns. Na dann, zum Wohl, Auf Luther!
Herzlich grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Sonntag, 30. Oktober 2016 - Die rechte Hand
Das Bild des Tages stammt von einem Bischofsdinner auf dem Land. Man beachte: die Tischdecke. Es ist Zeitungspapier mit Wasser befeuchtet, damit es nicht wegfliegt. Man beachte weiterhin: Die linke Hand ist unter dem Tisch. Sie gilt als unrein. Gegessen wird mit den Fingern der rechten Hand. Für uns gibt es – ein Glück – einen Löffel. Es schmeckt köstlich: Reis, Dal (eine Linsensoße), Gemüse und Rindfleisch (!). Wir stärken uns. Denn hinter uns liegt ein gut zweistündiger Gottesdienst in dem Dorf Govindpur. Wir sind zu Gast in der evangelisch-lutherischen Gossner-Kirche. Sie besteht aus indischen Urweinwohnern, sogenannte Adivasi, für die Kühe nicht heilig sind. Uns begleitet auf unserer Dorfexpedition der Bischof der Südwest-Diözese, J.M. Topno. Er übersetzt die englische Predigt direkt ins Mundari. Das ist die Stammessprache, die in dieser Region gesprochen wird. Leider verstehen wir vom Gottesdienst ansonsten nicht viel, da unsere Begleiter eher Hindi sprechen und nicht übersetzen können. Aber wir beteiligen uns, in dem wir spontan noch einen weiteren Chor für Frohnauer Gemeinde gründen und gleich auftreten: den Auslandseinsatzchor. Unser Kantor Walter wäre stolz auf uns!
Nach dem Essen spazieren wir über die Felder, die zu einem Ausbildungszentrum für die Diakone der Gossner-Kirche gehören. Bei dem Spaziergang haben wir erstaunliche Begegnungen. Wie etwa diese Frau, die einen Reissack auf dem Kopf balanciert, während der Mann ihr hinterher schlendert. Es sind Gemeindeglieder, die ihre Kollekte zur Kirche bringen. Seit die Kirche unabhängig ist (1919), gibt es den Brauch, dass zu jeder Mahlzeit, eine Portion Reis für die Gemeinde beiseite getan wird. Es sammelt sich dann im Laufe der Woche ordentlich etwas an. Der Reis wird dann am Sonntag zur Kirche gebracht wird. Der Reis wird durch die Gemeinde verkauft und der Erlös kommt der ihr zugute.
Höhepunkt des Tages war, dass wir die Eltern unserer ökumenischen Freiwilligen Sushma trafen. Sie freuten sich sehr, als wir ihnen ein großes Bild von Suhsma überreichen konnten. Und wir waren bei Ihnen zu Hause.
Während diese Zeilen entstehen rauscht draußen eine Geräuschkulisse, die uns Silvester erinnert. Es ist Diwali, das hinduistische Lichterfest. Manche Läden sind mit Öllampen geschmückt und die Jugendlichen – es sind vor allem junge Männer – zünden lautes, sehr lautes (!) Knallwerk.
Wir hoffen dennoch auf eine ruhige Nacht.
Herzlich grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Samstag 29. Oktober 2016
Das ist kein Rattengift.
Das Bild des Tages ist eine Ratte, die vor einem Öllämpchen posiert. Gepflegt durch Pilger mit ordentlichem Futter. Gut soll sie es haben. Uns begegnete das possierliche Tierchen vor einem Tempel für den Gott Ganescha. Er ist der Gott in Elefantengestalt und einer der beliebten Götter im Hinduismus. Die Ratte ist sein wichtigstes Begleittier. Er steht für Glück und gelingendes Leben.
Wir sind glücklich in Neu Delhi in der letzten Nacht gelandet. Ein paar Probleme gab es in die Stadt zu kommen mit den für uns bestellten Taxis. Es waren zu wenige. Dann das lustige, landestypische Spiel des Fahrers: „Ich habe da einen Freund, der uns hilft. Wartet fünf Minuten.“ Wir sind geduldig und nach einer Stunde waren die fünf Minuten auch vorbei. Müde sanken wir ins Bett. Am heutigen Morgen spazierten wir durch Delhi. Besonders beeindruckend neben all den Gerüchen der Garküchen am Straßenrand, dem über der Stadt hängenden Smog und den anderen intensiven Bildern – war der Besuch in einem Sikh Tempel, Gurudwara Bangla Sahib. Es ist ein Tempel dessen Anfänge auf das 17. Jahrhundert zurückgehen. Die Sikh sind aus dem Hinduismus entstanden. Es ist eine Religion, der es um die Gleichstellung aller Menschen geht: Männer, Frauen, Kinder ... Wir besuchen nicht nur den Tempel und haben Gelegenheit mit einem Vertreter zu sprechen, sondern bestaunen auch die wunderbare Architektur. Besonders beeindruckt hat uns die große Küche, in der Männer und Frauen gleichermaßen arbeiten. Es gehört zu den Pflichten eines Sikh mitzuarbeiten. In dieser Küche werden täglich bis zu 20.000 Menschen versorgt. Wir sind vor der Mittagszeit da und dürfen in die riesigen Woktöpfe schauen. Nun geht es heute Abend nach Ranchi, in den Bundesstaat Jhahrkhand.
Herzlich grüßend
Ihr Ulrich Schöntube
Freitag, 28. Oktober 2016
Es gibt viele Indienbilder: Ochsen im Straßenverkehr, eilige Motorradfahrer, Staub, lautes Knallwerk zu uns fremden Festen, tanzende Frauen auf dem Land und vieles mehr. Wir werden in den nächsten zwei Wochen ein paar Bilder genauer kennenlernen. Sechs Gemeindeglieder machen sich auf den Weg um den Nordosten Indiens zu erkunden. Wir werden auf den Spuren deutscher Missionare wandeln, indische Urbevölkerung kennenlernen mit ihren Sitten und Bräuchen. Wir werden den Tee Assams kennelernen und vor allem die Frauen und Männer, die in Handarbeit die Teeblätter pflücken. Wir, das sind: Jutta Muestanu, Andrea Gorys, Ernst Kreusler, Elkmar Schulze, Dr. Hans Mittmann und Pfarrer Dr. Schöntube - und wir sind mächtig aufgeregt. Wir freuen uns, wenn Sie uns auf unserem Abenteuer begleiten, uns in Wort und Bild in unserem Blog folgen.
Am Freitag, den 28. Oktober, geht es los.
Bis bald, Ihr Ulrich Schöntube