Unser Schaukasten "500 Jahre evangelisches Gesangbuch"

Unser Schaukasten "500 Jahre evangelisches Gesangbuch"

Unser Schaukasten "500 Jahre evangelisches Gesangbuch"

# Schaukasten

Unser Schaukasten "500 Jahre evangelisches Gesangbuch"

Wir waren vor über 10 Jahren zum orthodoxen Osterfest, das damals zufällig auf unser Osterfest fiel, in Moskau bei der Familie von Freunden meines Mannes zu Besuch. Die erwachsene Tochter ging mir ihren beiden Töchtern in die orthodoxe Kirche. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wollte sie ihren Kindern ein Wertesystem nahebringen. (Dass an der Spitze der russisch-orthodoxen Kirche mit Kyril I. inzwischen ein ehemaliger KGB-Agent steht und Putin diese quasi gekapert und auf seinen Kurs gebracht hat, war damals noch nicht absehbar.)  Also gingen wir alle gemeinsam in der Osternacht in den Gottesdienst in einer nahegelegenen orthodoxen Kirche. Ich war entsetzt: 6 Stunden Gottesdienst im Stehen, allgemeines Gemurmel, kein gemeinsamer Gesang, nur die Priester sangen hinter einer Holzwand (Ikonostase). Ab und an ging ein Fenster auf, ein Priester schaute kurz heraus, sprengte Unmengen Weihrauch auf die Versammelten und klappte das Fenster wieder zu. Eine kurze Predigt, immerhin in Russisch, nicht mehr in Kirchenslawisch, einer alten, toten Sprache, die kaum ein Gläubiger versteht, geschweige denn spricht. Aber ich verstand natürlich auch kaum russisch. Nach 2,5 Stunden taten mir die Knie so weh, dass ich das Angebot, nach Hause zu fahren, sehr gerne annahm. Am nächsten Tag fragte mich unser Freund, wie es mir denn gefallen habe und ich antwortete ebenso spontan wie undiplomatisch: „Jetzt weiß ich erst, was wir Martin Luther zu verdanken haben!“

Und in der Tat: So wie heute noch in den orthodoxen Kirchen (orthodox bedeutet rechtgläubig, strenggläubig), so gestaltete sich vor der Reformation auch in unseren Landen der Gottesdienst. Den Gemeindegesang mit den vielen schönen Liedern, Liturgie und Predigt in der Landessprache und nicht zuletzt Sitzbänke und hellere Kirchenfenster, damit man die Gesangbücher auch lesen kann – das alles hat erst Martin Luther mit seiner Reformation eingeführt. Der katholische Gottesdienst hat sich dem heute stark angeglichen, vor allem nach dem zweiten vatikanischen Konzil, das erst 1965 !! stattfand. Bis dahin wurde zumeist noch die lateinische Messe gelesen. All das, was uns heute selbstverständlich ist, verdanken wir tatsächlich Martin Luther. Um das so wirklich und hautnah zu begreifen, musste ich erst einen orthodoxen Gottesdienst in Moskau besuchen!!

Und so freue ich mich mit dem Schaukastenteam zum Reformationstag am 31. Oktober besonders am diesjährigen Jubiläum: „500 Jahre evangelisches Gesangbuch“.  Gerade das gemeinsame Singen haben wir seit Corona noch einmal mehr schätzen gelernt, eine gute Predigt ohnehin.

Zur Feier des Tages sind im Schaukasten ganz viele verschiedene Gesangbücher ausgestellt, aus verschiedensten Epochen und ein Stuhl, dessen Polsterung einen allerdings neidisch werden lässt beim Gedenken an so viele harte Kirchenbänke  aus Holz. Aber immerhin… man darf sitzen! Die Liedertafel, diese aus Lübars geliehen, in die die jeweils zu singenden Leider gesteckt werden,  kann natürlich nicht fehlen. Selbstverständlich wird auch das Gesangbuch immer wieder behutsam reformiert, um neuerem Liedgut eine Chance zu geben. Das erste war tatsächlich 1524 das sogenannte „Achtliederbuch“, an zentraler Stelle darin unser heutiges EG 341 „Nun freut euch alle Christen gmein“ von Martin Luther. Viele neue Ausgaben kamen hinzu, bald schon von Johann Walter mit mehrstimmigen Sätzen und dann ein größeres von Johann Crüger. Von beiden Komponisten finden wir noch heute viele Lieder in unserem aktuellen Evangelischen Gesangbuch. Und es gibt sogar eine aktuelle Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespot, rechts unten im Kasten. Die könnte doch Ihre Weihnachtspost zieren, oder?

Du meine Seele singe, EG 302, Text 1653 von Paul Gerhardt, Melodie 1666 von Johann Georg Ebeling, eine Vertonung von Psalm 146 – auf dem Pergament heller, lichtdurchlässiger Kirchenfenster geschrieben. Dem ist nichts hinzuzufügen. Möge auch  ihre Seele singen zum Reformationstag und überhaupt in diesem Herbst.

Für das Schaukastenteam
Maren Topf-Schleuning 

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