02/07/2024 0 Kommentare
Schaukasten zur Passionszeit 2022
Schaukasten zur Passionszeit 2022
# Schaukasten
Schaukasten zur Passionszeit 2022
Im Kirchenjahr sind wir in der Passionszeit angekommen. Selbst den rheinländischen Frohnaturen blieb bereits in der Karnevalszeit dieses Jahr das Lachen im Halse stecken. Mit Begriffen wie „Zeitenwende“ und anderen Superlativen versuchen wir das Unfassbare begreiflich und besprechbar zu machen. Und auch mir fiel es unglaublich schwer, gemeinsam mit einer Mitstreiterin aus dem Schaukastenteam, den aktuellen Schaukasten zu gestalten und nun diesen Text zu schreiben.
In der Passionszeit erinnern sich Christen in den ca. 7 Wochen vor Ostern an die Leidensgeschichte Jesu – die Verurteilung, den Verrat, die Kreuzigung. Viele Christen nehmen sich Zeit für Besinnung und Gebet, reduzieren und fokussieren sich. Diese Zeit wird daher auch Fastenzeit genannt.
Nun haben wir bereits 2 Jahre Pandemie in den Knochen. Der Winter war trist, grau und dunkel. In jüngster Zeit haben einige von uns die Stürme zusätzlich herausgefordert. Jeder hat so seine persönlichen „Ach-Momente“ im Alltag. Da hätte ich mir und uns allen nun gern einen etwas leichteren, „unbeschwerteren“ Zugang zur Passionszeit gewünscht. Wir hätten die Passionszeit beispielsweise mal gemeinschaftlich starten und als eine persönliche Challenge angehen können. Als Einladung zu „7 Wochen ohne“, ganz unverbindlich und ohne Erfolgsdruck. „Challenge“ nennt man heute modern Herausforderungen. Das klingt dann auch gar nicht mehr so anstrengend, sondern eher sportlich und erreicht möglicherweise auch ein jüngeres Publikum.
Aber schon beim hier herumjammern schäme ich mich, weil das gerade absolut nicht angemessen ist angesichts des Leides in unserer Nachbarschaft, der Ukraine.
So bin ich doch froh (selbst das Wort scheint mir hier unpassend), dass die Kirchengemeinden Reinickendorfs gemeinsam Passionsandachten anbieten, in denen Leidensorte in den Blick genommen werden, in denen Menschen heute einander Gewalt antun oder Orte, die lange verschwiegen wurden, da dort extreme Gewalt verübt wurde und Menschen unsagbar gelitten haben.
Die jüngste Geschichte zeigt mir – einem Kind friedlicher Tage, das Kriegserfahrungen nur aus den wenigen Erzählungen der eigenen Großeltern kennt – wie fragil unsere Demokratie, unser Frieden sind.
Dem finalen Leidensort Jesu ging ein Weg voraus. Er war gekennzeichnet von Verurteilung, unterlassener Hilfe, verstecktem und offenen Verrat aber auch von Loyalität, Begleitung und Fürsorge. Wo sind die Parallelen zu den heutigen Leidensorten? Worin sehen wir unsere Aufgabe, die heutigen Leidenswege von Menschen zu beenden oder wenigstens zu begleiten?
Es ist wichtig, dass wir uns die historischen und heutigen Leidensorte vergegenwärtigen, aktiv im Handeln dem Leid etwas entgegensetzen und Geschichte beeinflussen. Geschichte passiert nicht, sie wird von Menschen geschrieben.
Die Passionsandachten bieten dafür einen Rahmen, ebenso wie der aktuelle Schaukasten.
Im Schaukasten sind die sieben LeidensOrte, denen sich die Andachten widmen, aufgenommen mit einem eigenen Plakat. Zwei weitere konkrete Orte sind hinzugefügt: das Internet und die Ukraine. Und dann ist da noch ein freies Plakat. Es steht als Platzhalter für LeidensOrte, die jeder persönlich in Gedanken ergänzen kann. Sehr auffällig auf den Plakaten ist das Symbol, das man von digitalen Karten kennt. Die LeidensOrte sind also wie auf einer geographischen Karte mitten unter uns. Der Schaukasten ist zudem offen gestaltet, man kann drum herum gehen, von allen Seiten auf LeidensOrte schauen. In der Mitte findet sich neben dem offiziellen Plakat für die Passionsandachten das Lied „In einer fernen Zeit“ (ev. Gesangbuch Nr. 17). Obwohl sich der Text des Liedes ganz offensichtlich auf Jesu Leidenszeit bezieht, ist es im „Präsenz“, der Gegenwartsform, geschrieben. Diese ferne Zeit und damit auch die Leidenserfahrungen von Menschen erneuern sich immer wieder, im Gestern und im Morgen, „draußen vor dem Tor“ und „mitten in der Welt“. Und dennoch setzt der Autor des Liedes dem Leid ein großes Trotzdem entgegen, die Hoffnung auf Ostern: „Erstehe neu in mir. Erstehe jeden Tag! Erhalte mich bei dir, was immer kommen mag!“ So erscheint jeder neue Tag als Chance, steht mir zur freien Gestaltung auch in Leidenszeiten zur Verfügung. Immer wieder, egal was kommen mag.
Und wie ich hier so reflektiere und schreibe wird mir klar: Die Fastenzeit ist so eine Art jährliches Angebot, für Krisenzeiten zu üben, mich zu fokussieren, auf das, was wirklich trägt und hält. Und manchmal ist eben nicht Übungs-Modus, sondern sehr real in Echt-Zeit Krisenbewältigung angesagt.
Ich wünsche uns allen Kraft, Hoffnung und treue, fürsorgliche Wegbegleiter.
Claudia Kraffzig
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