02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum Hirtensonntag
Predigt zum Hirtensonntag
# Predigten
Predigt zum Hirtensonntag
Kollekte am Sonntag, den 26.04.2020
Die Arbeitsgebiete unserer Landeskirche, für die wir normalerweise während der Gottesdienstes Kollekte sammeln, sind auf unsere Spenden angewiesen. Deshalb bitten wir Sie auch an dieser Stelle um Ihre finanzielle Mithilfe.
Heute sammeln wir für die Wohnungshilfe. Wohnungslos kann jede*r werden. Menschen aus allen sozialen Schichten – zunehmend auch Familien mit Kindern – sind durch persönliche Notlagen von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen. Die Wohnungslosenhilfe der Diakonie unterstützt und berat wohnungslose Menschen und stabilisiert ihre persönliche Situation.
Wenn Sie eine Kollekte geben möchten, dann überweisen Sie sie bitte auf folgendes Konto:
DWBO
IBAN: DE81 1002 0500 0003 1156 00
Verwendungszweck: Wohnungshilfe, Spende vom 26.04.2020 EKBO
Sie können für Ihre Spende auch das Spendenformular der EKBO nutzen unter www.ekbo.de/spenden.
Herzlichen Dank für Ihre Spende!
Lied SiJu 86, 1-2 Der Herr, mein Hirte
Ich grüße Sie, liebe Gemeinde, ganz herzlich am sogenannten „Hirtensonntag“. Das Lied zu Beginn hat uns schon darauf eingestimmt. Es ist eine Vertonung des uns allen so bekannten Psalm 23. Viele Ältere und Jüngere können diese Worte auswendig. Über die Jahrtausende hinweg haben sie Menschen in so manchen dunklen Stunden Trost gespendet.
Das Bild von Gott als dem guten Hirten stammt aus dem Alten Testament und wurde dann später im Neuen Testament auf Jesus Christus übertragen. „Ich bin der gute Hirte“ sagt Jesus im Johannesevangelium.
In unserem Predigttext aus dem 1. Petrusbrief ist es auch Jesus Christus, der als Hirte beschrieben wird. Von österlicher Freude ist darin allerdings wenig zu spüren; vielmehr werden wir wieder an Jesu Leiden und Sterben erinnert. Man muss gut hinsehen, um österliches Morgenlicht zwischen den Zeilen wahrnehmen zu können.
Wir hören einen Abschnitt aus dem 2. Kapitel:
21 Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; 22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; 23 der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; 24 der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. 25 Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Lied SiJu 86, 3
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. AMEN.
Liebe Gemeinde,
zu Beginn der Corona-Zeit, also etwa Mitte März, sah jeder Morgen bei mir etwa so aus: noch im Halbschlaf tastete ich zu meinem Smartphone und fing sofort an, viele verschiedene Zeitungen zu durchforsten. Was für neue Nachrichten, Fakten, Zahlen, Mutmaßungen gibt es? Erst Spiegel, dann Süddeutsche, die Zeit, FAZ, natürlich den Tagesspiegel. Ein Blick in die New York Times lohnte sich auch immer noch. Bevor ich überhaupt wach war, geschweige denn den lebensnotwendigen Kaffee getrunken hatte, schwirrte mir schon der Kopf angesichts der Flut an Informationen.
Heute, fünf geübte Wochen später, versuche ich den Start in den Tag anders: kein Blick in eine Zeitung, bevor ich meinen Kaffee nicht getrunken habe. Während ich diesen genieße, lasse ich mir von einem lieben Freund und Kollegen aus Frankfurt ein Morgenlied vorsingen. Er postet dieses täglich auf seinem WhatsApp-Status. Seinem Lied folgt ein Kameraschwenk auf den Sonnenaufgang, der mich an all das denken lässt, was Hoffnung macht. Wie auch das Turmblasen am Abend meine Seele zur Ruhe kommen lässt und mir hilft, möglichst zuversichtlich der Nacht entgegenzugehen.
Hätte mir am Anfang des Jahres jemand erzählt, dass ich einmal auf solche täglichen Rituale und Bewältigungsstrategien zurückgreifen würde, hätte ich wahrscheinlich ein bisschen gelacht und es weit von mir gewiesen. In dieser Krisenzeit heute sind sie aus meinem Alltag nicht mehr wegzudenken. Und wie ich feststelle: ich bin damit nicht allein!
Viele Menschen brauchen gerade Halt und Trost, Zeichen der Gemeinschaft trotz physischer Distanz. Sie brauchen Orientierungspunkte. Denn es ist doch auch ganz schön verwirrend, was gerade auf uns einflutet. Da sind wir wieder bei den Zeitungen. Es gibt etliche kontroverse Diskussionen, unterschiedliche Sichtweisen und Güterabwegungen -je nach dem, welcher Aspekt mehr im Fokus steht: Die Gesundheit. Die Wirtschaft. Die Freiheitsrechte. Die Ältere Generation. Die Kinder und Jugendlichen... und und und. Alle, so denke ich, verbindet das Gefühl einer berechtigten existentiellen Sorge. Doch wie soll man dem allem gerecht werden- und das möglichst gleichzeitig?
In den Gesprächen mit Gemeindegliedern höre ich immer wieder heraus, wie verloren sich doch einige gerade fühlen. Vielleicht ein bisschen wie Schafe, so legt der heutige Sonntag den Vergleich nahe, die Herde und Hirten verloren haben, die nicht wissen, wo es lang geht.
Wie gut darum, dass heute der Hirtensonntag ist! Die alten biblischen Bilder von Hirt und Herde sind uns wie ein Geländer, an dem wir uns festhalten können, bis wir uns wieder sicher auf dem richtigen Weg angekommen wissen. Mal sehen, was unser Predigttext für uns bereit hält!
Der Verfasser desselben schreibt aus einer Situation der Bedrängnis. Das ist schnell zu verstehen. Er leiht sich Namen und Autorität des Apostel Petrus (ein übliches antikes Stilmittel), um seinen Worten Gewicht zu verleihen. Seine Adressaten stehen unter Verfolgung, sie müssen Bedrohung und Ausgrenzung ertragen. Und er will sie ermutigen, auf diese Anfechtungen vor allem mit moralischer Integrität zu reagieren. Er will sie bei der Stange halten, indem er sie daran erinnert, wer denn ihr großes Vorbild ist - gerade in Zeiten der Not: Jesus Christus.
„Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“
Es ist eine Leidenstheologie, die in diesen Versen entfaltet wird und ich könnte mir vorstellen, dass damit heute wenige noch etwas anfangen können. Nachfolge Jesu bedeutete für die Christinnen und Christen damals: eben selbst Leiden klaglos auf sich zunehmen. Aus heutiger Sicht klingt das wenig attraktiv. Wer leidet schon gerne? Anknüpfungsfähiger und auch relevanter aber scheint mir die Frage zu sein: inwiefern kann Jesus Christus uns heute Vorbild sein? Und ich spitze die Frage ganz konkret zu: wie könnte Jesus uns Vorbild in der Corona-Krise sein? Wie kann mich dieser Hirte meiner Seele durch dieses dunkle Tal führen, mit helfen „der Gerechtigkeit zu leben“ wie es im 1. Petrusbrief heißt? Was kann mich leiten? Woran kann ich mich festhalten in der Unübersichtlichkeit dieser Tage?
Ich habe diese Frage einige Zeit mit mir herumgetragen, darüber nachgedacht auf meinen täglichen Hundegängen, bis mir plötzlich folgende bekannte Worte durch den Kopf gewandert sind. Ganz klar waren sie auf einmal da:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft und deinem ganzen Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst.“ - Das ist es! Das Geländer, an dem ich mich festhalten will. Das höchste Gebot. Das Doppelgebot der Liebe, welches sich in Jesu Leben und Sterben auf einmalige Weise entfaltet hat. Jesus hat diese mehrdimensionale Liebe gelebt wie kein anderer. Daran will ich mich orientieren. Darin ist Jesus mir wirklich ein Vorbild, oder besser gesagt eher das Urbild für diese Liebe.
Da ist einmal als erstes und wichtigstes die Liebe zu Gott. Von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit aller Kraft. Sie ist die Antwort auf Gottes Liebe zu seiner ganzen Schöpfung. Sie verbindet Himmel und Erde, sie gibt Trost und Hoffnung einen festen Platz in unserer Welt. Auch wenn wir gerade durch ein eher dunkles Tal wandern. An diese Liebe will ich uns heute erinnern! Sie tröstet die Traurigen; sie schenkt den Mutlosen Hoffnung. Sie belebt alle, die sich wir erstarrt fühlen. Wenn wir abends auf dem Platz den Chorälen lauschen, wenn der Chor in seinem großartigen Video-Projekt „Verleih uns Frieden gnädiglich“ singt, dann dürfen wir uns diese Liebe vergegenwärtigen, uns von ihr erfüllen lassen und sie an Gott zurückgeben. Es entstehen Freiräume. Hoffnungsräume. Trosträume. Friedensräume. Räume der Begegnung. Stärker als jedes Virus.
Da ist die Liebe zum Nächsten. An sie will ich als zweites erinnern. Jesus ist nicht müde geworden, aufzuzeigen, was er unter Nächstenliebe versteht. Er wandte sich all denen zu, die seine Hilfe brauchten: die Schwachen und Kranken, die Ausgegrenzten und Rechtlosen. „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.“, sagte er. In der heutigen Situation der Corona-Krise hilft mir dieser Gedanke, um die Einschränkungen meiner Freiheit auszuhalten., um Verzicht zu üben. Zum Schutz der Alten und Schwachen, will ich mich selbst zurücknehmen.
Und da ist die Liebe zu mir selbst. An sie will ich als drittes erinnern. Sie ist ebenfalls wichtig. Denn erst die Liebe Gottes, die mir uneingeschränkt gilt, hilft mir, mich selbst uneingeschränkt anzunehmen wie ich bin. Und das ist auch gerade jetzt wichtig, weil sicher nicht immer ganz einfach: Manchmal ist man eben ungeduldig. Manchmal nervt die Situation so, dass man ausrasten könnte. Manchmal bringt die familiäre und berufliche Lage einen an die Grenzen. Manchmal will ich einfach nur das alte, freie Leben; will nicht vernünftig sein, will nicht Rücksicht nehmen...
Gut, dass heute Hirtensonntag ist! Er hilft mir mich zu orientieren; meine unterschiedlichen Gefühle zu ordnen. Ich muss nur den Psalm 23 hören, von Jörg Walter und Julia Wutzke so schon gesungen, um innerlich ruhiger zu werden. Klarer. Weniger verwirrt. Weniger verirrt.
Und ich sehe: Der gute Hirte, der Hirte meiner Seele hat mich zur Quelle des Lebens geführt. Zur Liebe Gottes, die alles und jeden erfüllt; die sich in unterschiedlichen Gesichtern zeigt.
Sie wird uns durch die kommenden Tage geleiten. Dessen dürfen wir uns gewiss sein.
So ich will einstimmen in die Worte des Psalmbeters, der spricht:
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN.
Lied SiJu 86, 4-5
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