"Radio-Gottesdienst" in Haus Friedenshöhe

"Radio-Gottesdienst" in Haus Friedenshöhe

"Radio-Gottesdienst" in Haus Friedenshöhe

# Predigten

"Radio-Gottesdienst" in Haus Friedenshöhe

Viele von uns haben in diesen Tagen auch sorgenvoll an die Seniorenheime unserer Gemeinde und ihre Bewohner*Innen gedacht, besonders an Haus Friedenshöhe, wo ein ehrenamtliches Gottesdienstteam seit vielen Jahren die sonntäglichen Gottesdienste gestaltet.  Nach über einem Monat gottesdienstloser Corona-Zeit durfte am Ostersonntag der erste Gottesdienst von der neuen hautamtlichen Seelsorgerin Pfarrerin Alke Witte aus der Pförtnerloge stattfinden, von wo aus er direkt in die Zimmer übertragen wurde. Die Bewohner*Innen mussten wegen  der Ansteckungsgefahr in ihren Zimmern bleiben. Dafür gab es aber noch ein Ständchen des Bläserensembles bestehend aus Pfr. Schöntube, Kirchenmusikerin Sabine Schmidt und ihrem Mann.

In der Pförtnerloge sind weder Orgel noch Keyboard vorhanden. Also  müssen Gitarre, YouTube Mitschnitte von Glockengeläut oder Orgelstücken und Selber Singen ausreichen. Besser als nichts, sagen wir uns und sind der Heimleitung dankbar, dass sie diese Art von Gottesdienst ab jetzt erlaubt. Am gerade vergangenen 1. Sonntag nach Ostern fand der zweite „Radio-Gottesdienst“ in Haus Friedenshöhe statt und hier ist die Predigt:

Predigt am 19. April 2020 in Friedenshöhe – 1. Sonntag nach Ostern Quasimodogeniti  Joh 20, 19-28 - Der ungläubige Thomas.

Friede sei mit Euch und Gnade von unserem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde,

die Texte und die Liturgie des 1. Sonntags nach Ostern sind noch ganz vom Glanz des Osterfestes erfüllt. Ein denkwürdiges Ostern, das Corona-Ostern, es wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Sie mussten bei herrlichem Wetter in ihren Zimmern bleiben und ihre Familien durften sie nicht einmal besuchen. Es hat mir richtig einen Stich ins Herz gegeben,  als ich zum Osterständchen  des Bläserensembles hier war und eine junge Frau kam, um ein großes Paket für ihre Großmutter abzugeben.

Wir konnten als Gemeinde keinen Ostergottesdienst feiern, zum ersten Mal seit 10 Jahren habe ich nicht mit der Kantorei in der Osternacht mitgesungen. Aber dank dem Einfallsreichtum und Engagement von Pfr. Schöntube gab es eine Art improvisierten Open Air Gottesdienst am Zeltinger Platz. Um 10 Uhr läuteten alle Glocken 10 Minuten lang, die Kirche war offen, und man konnte sich seine kleine Osterkerze abholen, an der großen Osterkerze entzünden und mit hinaus nehmen, mit gebührendem Abstand natürlich. Dann sangen wir zu demselben Posaunenchor, der hier bei Ihnen später nach ihrem Gottesdienst war,  fünf Osterchoräle aus den mitgebrachten Gesangbüchern mit. Der Gesang war etwas dünn, weil die Menschen soweit auseinanderstanden. Außerdem ist es gar nicht so einfach, die Melodie, die man natürlich kennt, so schnell einem Text und einer Liednummer im Gesangbuch zuzuordnen, die Osterlieder sind ja nicht so bekannt wie die Weihnachtslieder. Aber es war trotzdem schön, der Platz war gut gefüllt, die Sonne strahlte vom Himmel und die beiden Birken auf dem Kirchenvorplatz waren buchstäblich über Nacht in ein zartes Grün getaucht worden. Der Frühling bricht sich Bahn  trotz Virus, trotz Sorgen und Ängsten. Was für ein schönes Zeichen. Ein Zeichen der Auferstehung eben. Man winkte und lächelte sich zu, sprach auch, so wie über den Gartenzaun im Frühling eben. Nur sehr langsam leerte sich der Platz wieder.

Ostern und die Auferstehung sind gerade erst geschehen. Und schon regen sich erste Zweifel. Der Jünger Thomas war zufällig nicht dabei, als Jesus den anderen Jüngern erschienen ist und er will es nicht glauben. Kann man es ihm verdenken? Er verlangt Beweise, ein rationaler Mensch eben. Er will die Wundmale sehen und seine Hände in Jesu Seite legen, sonst glaubt er es nicht. Und nach acht Tagen waren sie wieder alle zusammen, diesmal war auch Thomas dabei und da erscheint ihnen wiederum Jesus und sagt zu Thomas: Schaue meine Hände an und lege deine Hände in meine Seite und sei gläubig, nicht ungläubig.  Thomas reicht das schon, dass Jesus vor ihm steht, seine innersten Gedanken offenbar längst kennt  und zu ihm spricht. „Mein Herr und mein Gott“ sagt er und verzichtet auf den weiteren eigenhändigen Beweis, die Finger wirklich in die Wunden zu legen. Trotzdem muss er bis heute mit dem Namen des „ungläubigen“ Thomas leben, der geradezu sprichwörtlich geworden ist.

Selig sind die, die nicht mehr sehen und doch glauben, sagt Jesus zu Thomas. Das kleine Wörtchen „mehr“ findet sich nur in der Zürcher Bibelübersetzung, die für besondere Nähe zum griechischen Urtext bekannt ist.

Die Geschichte vom ungläubigen Thomas wird nur im Johannesevanglium erzählt. Warum? Was bezweckt Johannes mit dieser Geschichte?

Johannes denkt an seine nachösterliche Gemeinde um 80-100 n Chr. in Ephesus:

-    Sie konnten Jesus ebenso wenig persönlich erleben wie wir heute; sie waren auch beim Auferstehungsgeschehen nicht in Jerusalem, sie waren keine Augenzeugen der Erscheinungen Jesu vor seinen Jüngern und vielen anderen Menschen.
-    Sie waren auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen. Auf die Apostel und die Missionare als Verkündiger der frohen Botschaft, so wie wir heute auf Dritte angewiesen sind.
-    Selig sind die, die nicht mehr sehen und doch glauben, sagt Jesus. Darauf waren auch die Mitglieder der jungen Gemeinde in Ephesus angewiesen. Sie mussten glauben ohne zu sehen, weil sie nicht mehr sehen konnten, sie waren zu spät dran, um zu sehen, so wie wir. ..

Und natürlich regten sich auch Zweifel an Jesu Auferstehung. Damals schon und das war lange vor der Aufklärung, lange vor der wissenschaftlichen Erklärung der Naturgesetze und der Entdeckung des Weltalls, lange vor der Entschlüsselung der biologischen Geheimnisse des Menschen.  Umso mehr werden heute Zweifel an der Auferstehung wach und geäußert. Auch wir müssen glauben ohne zu sehen. Und noch dazu gegen die ganzen  wissenschaftlichen Argumente  unserer rationalen Welt.

Zweifel sind erlaubt  -auch das will uns die Geschichte vom ungläubigen Thomas sagen. Wir dürfen zweifeln, das ist menschlich. Jesus tadelt Thomas nicht. Er nimmt sich seiner Zweifel an, geht darauf ein und er widerlegt sie. Jesus tadelt auch uns nicht, wenn wir zweifeln. Das ist doch sehr beruhigend und tröstlich.

Das Glück von Thomas haben wir nicht.  Ich erinnere mich an eine Bibelarbeit zu dieser Bibelstelle, in der eine Religionslehrerin und GKR-Mitglied sagte: „Ich beneide Thomas so, ich hätte auch gern so ein Zeichen, so einen klaren Beweis.“
Haben wir aber nicht. - Aber das haben wir:

Entgegen aller Erwartungen war die  Geschichte mit Jesu Tod nicht zu Ende. Entgegen aller Erwartungen fing die Geschichte mit Jesus jetzt erst richtig an. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass einige und dann immer mehr Jesus gesehen hatten, dass er ihnen begegnet, ihnen erschienen war.

Wie immer man das Wunder der Auferstehung auch rational zurechtstutzen will, als Wunschdenken und Einbildung einiger Jünger, als Vision, als Massenhysterie. Auch der größte Skeptiker kommt nicht daran vorbei, dass die Geschichte von Jesus nun erst richtig los ging:

Die Jünger fanden sich zu neuen Gemeinschaften zusammen. Immer mehr Menschen stießen zu ihnen und bekannten sich zu Jesus von Nazareth.
Aus einer jüdischen Sekte wurde eine neue Religion, zuerst bedrängt von den Juden und verfolgt von den Römern. Aber schon 300 Jahre später wurde sie zur Staatsreligion des Römischen Weltreiches, des Reiches, dessen langer Arm in Jerusalem die Kreuzigung vollzogen hatte.  Das Christentum wurde zur größten Weltreligion. Noch 2011gehörten 31,5 % der Weltbevölkerung einer christlichen Kirche an, gefolgt vom Islam mit 23,2 %. Die Faktizität von 2000 Jahren Kirchengeschichte beweist die Auferstehung:
Sonst säßen Sie hier nicht in Ihren Zimmern und würden diesem Gottesdienst zuhören.
Sonst säße ich nicht hier in der Pförtnerloge als angehende Prädikantin.

Denn aus Jesu Tod wurde neue Hoffnung geboren,
die Hoffnung, dass die Geschichte Gottes mit uns weitergeht,
die Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist,
mit seinem Tod nicht
und dann auch mit unserem Tod nicht.

Das ist die Botschaft  - und die ist brandaktuell in Zeiten des Corona-Virus. Wir behalten die Hoffnung auch im Sterben, auch über den Tod hinaus. Auch wenn es uns nicht vergönnt ist, unsere Hände in die Wunden von Jesus zu legen.
AMEN.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesu Christus.

Maren Topf-Schleuning

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