Der Osterbrief an die Gemeinde

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Der Osterbrief an die Gemeinde

Liebe Schwestern und Brüder 

Wir grüßen Sie herzlich zum Osterfest in diesem Jahr. Es ist das höchste Fest der Christenheit. Elisabeth Roth und ich freuen uns jedes Jahr sehr auf die vielen Gottesdienste und Begegnungen, die wir Ostern feiern dürfen: Vom Feierabendmahl am Gründonnerstag, dem schlichten Karfreitag, der Lichtfeier in der Osternacht, zum Osterfeuer und schließlich bis zum Familiengottesdienst am Ostersonntag. Es ist so seltsam, dass wir uns in diesem Jahr nicht begegnen dürfen. Eine österliche Freude in den eigenen vier Wänden aufkommen zu lassen, ist schwer. 

Dennoch möchten wir Ihnen mit diesem Brief ein Zeichen der Verbundenheit zusenden. Unsere Gemeinschaft ist in dem Osterereignis begründet. Die Auferstehung ist der Anfang der christlichen Gemeinde. Die Frauen verließen am Ostermorgen das Grab mit Furcht und mit großer Freude. Diese beiden Gefühle können wir in diesen Tagen gut nachvollziehen. Furcht vor der Pandemie – Freude über das Erwachen des Lebens um uns herum. Wir haben als Christen Zukunft im Sinn. Davon erzählt das Osterfest. Als geistlichen Gruß übersenden wir Ihnen eine Osterpredigt. Darin machen wir machen uns mit den Frauen auf dem Weg zum Grab.

Zum Osterfest gehört übrigens auch das Lachen. Der Risus Paschalis – das Osterlachen – ist ein alter liturgischer Brauch. Lachen über den Tod – das ist uns Christen eigen auch in diesen Tagen. 

Fröhliche Ostergrüße senden Ihnen, 

Ihre 

Pf. Dr. Ulrich Schöntube und Pfrn. Dr. Elisabeth Roth 

Der Herr ist Auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden!


PS: Kennen Sie den schon? Ein altes Ehepaar stirbt zufällig am selben Tag. Gemeinsam kommen sie zum Himmelstor und werden von Petrus empfangen. Er macht mit ihnen eine Rundfahrt durch die himmlischen Gefilde. Bei einer Villa halten sie an. „Ihr wart immer gut zueinander und habt fest im Glauben gestanden. Die Villa gehört euch.“ Die beiden sind beeindruckt. Der Mann aber macht sich Sorgen: „Wer soll denn das große Grundstück pflegen? Ich etwa?“ – „Nein,“ beruhigt ihn Petrus, „ein Gärtner gehört natürlich dazu.“ – „Und wer putzt die Fenster?“ fragt die Frau. Petrus antwortet: „Bitte machen Sie sich keine Sorgen! Eine Hausgehilfin, eine Köchin und ein Butler gehören selbstverständlich zur Ausstattung Ihrer Villa!“ Da schaut der Mann seine Frau strafend an und sagt: „Du immer mit deinen Herztropfen! Das hätten wir schon vor zehn Jahren haben können!“



Ostergruß 

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. 2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. 3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? 4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. 5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. 6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. 7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. 8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich. 

Mark 16:1

Der Sabbat ist vorüber. Der erste Tag der Woche beginnt. Die Ostergeschichte ist eine Alltagsgeschichte. Ich sehe die drei Frauen im Morgengrauen aufstehen. Sie treffen sich. Sie wollen zum Grab. Auf dem Weg müssen sie über einen Markt. Er ist offen. Kein Corona. Kein Mundschutz. Es ist ein großes Gewühl. Die Händler bieten bestes Öl an. Sie feilschen. Und bieten Rabbatpreise nach dem Fest. Die Frauen riechen an dem einen Fläschchen hier und dann wieder dort. Sie handeln und kaufen. Hier im Gewühl spüren sie die Sehnsucht nach Leben. Aber sie ist zu schwach gegen die Trauer in diesem Moment. Als sie vom Markt kommen, haben sie ein ganz besondere Öle im Beutel. Markus wird sie später „Aromata“ nennen. Duftöle. Ihr Wohlgeruch schleicht aus dem Beutel auf dem Weg zum Friedhof. 

Auf dem Weg schweigen sie. Gedanken gehen ihnen durch den Kopf: „Was haben sie zu erwarten? Nach anderthalb Tagen. Wäre diese Angst nicht gewesen, sie hätten ihn doch gleich gesalbt. Das hätte doch wirklich gleich erfolgen müssen. Jetzt müssen sie in das Grab. Kein Mundschutz, dafür Duftöl. Das Berühren des Toten wird sie unrein machen. Aber das ist ihnen jetzt egal. Sie müssen.“ Unauslöschlich stehen ihnen die Bilder der letzten Tage vor Augen. Sie standen unter dem Kreuz (Mk 15,40). Sie hatten die schnelle Grablegung organisiert (Mk 15,47). Ohne Salbung. Das muss jetzt nachgeholt werden. Alles andere ist egal. Sie müssen. Jesus darf nicht der Geruch des Todes anhaften. Sondern der Duft des Lebens. Die Aromen kriechen aus dem Beutel herauf. Sie beleben. 

Als erste bricht Maria Magdalena das Schweigen: „ER hat mich von sieben bösen Geistern befreit. Das Leben hatte neu begonnen. Das soll nun vorbei sein im Gestank des Todes – hinter dem Stein? 

Dann sagt Maria, die „Mutter des Jakobus“: „Zwei meiner Söhne, Jakobus und Joses habe ich Jesus nachfolgen lassen. Die Jungs waren meine Alltagsvorsorge. Das soll nun vorbei sein im Gestank des Todes – hinter dem Stein?“ 

Schließlich stimmt Salome ein, die Mutter der Söhne des Zebedäus: „Ich wollte für Jakobus und Johannes sorgen. Dass sie auch im Himmel bei Jesus den besten Platz haben. ER hat mich durchschaut. Ich könne die Jungs nicht loslassen, hat er gesagt. ‚Das ist nur deine Angst vor Leiden und Unglück. Entscheidend wird Deine Hoffnung sein, die dich im Leid trägt. Entscheidend wird der Menschensohn sein, dem sie folgen.’ Daran muss ich jetzt denken. Und das soll jetzt vorbei sein im Gestank des Todes – hinter dem Stein?“

Ich gehe mit den Frauen. Halte Abstand. Anderthalb Meter – wie vorgeschrieben und doch bin ich betört von dem Duft, der aus dem Beutel kriecht von den teuren Ölen vom Markt. Ich kenne alle diese Themen der Frauen so gut in diesen Tagen: Das Loslassen meiner Sorgen für die anderen. Die Angst vor dem Corona-Virus, die Abschiede. 

So kommen wir zum Stein, zur Grabestür. Sie bezeugt die Wirklichkeit des Todes. Und der Tod, der Feind des Lebens, der Feind der Lebensbeziehungen kündigt sich an in den Ängsten, in der Einsamkeit, in der Furcht nicht zu bestehen, in den Trennungen, den Lasten des Alltags. 

Ich will mit den Frauen das Unerhörte: Eine Sehnsucht nach Leben ist tief in mir. Und die wichtigste Frage ist: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Wer hilft mir zu leben in Hoffnung? Wer hilft mir den Zeitlauf aufzubrechen, das ständige Vergehen, der Vergangenheit? Wer hilft mir gegen die Allgewalt des Todes mit allen seinen Vorboten? 

Wir sind da. Am Grab. Welch Schrecken! „Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.“ Wir „sahen“ hin. Das ist trivial. Im Original heißt es: Wir „blickten auf.“ Einen Moment aufblicken aus der Trauer, der Sorge, den Abschieden, den Gedanken, die doch nur auf mich selbst gerichtet sind. Welch Schrecken! Der Beutel fällt herunter. Die Flakons zerbrechen. Ein betörender Duft weht um das offene Grab. Hier müsste doch Gestank der Vergänglichkeit sein. Und nun ist nichts als Wohlgeruch hier. Der Stein ist fort. Gott ist den Frauen, ja, mir zuvor gekommen. 

In der Wolke aus Duft und Nebel erscheint jemand: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.“ 

Ich rebelliere: „Was heißt hier: ’Siehe da, die Stätte, wo sie ihn hinlegten.’ Das haben wir doch schon längst gesehen. Und die Frauen wussten es doch genau, wo er lag. Sie waren doch dabei.“ Noch einmal die Stimme des Engels. Mit sanfter Stimme gemischt in den Duft aus den zerbrochenen Flakons: „Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“ Er ist nicht mehr Vergangenheit. Er ist nicht mehr historischer Jesus. Er ist nicht mehr der, der mit schönen Geschichten gesagt hat, wie wir leben sollen. Der Jesus von gestern ist ein Gegenwarts- und Zukunfts- Jesus geworden. Die Zeiten verschwimmen. Und das heißt für mich: Meine Lebensuhr tickt zwar voran. Aber das Leben ist kein Sein zum Tode mit allen seinen Vorboten. Sondern es heißt: Er ist auferweckt, nicht hier am Grab mit seinem Todesgestank. „Er wird vor euch hergehen nach Galliläa. Ihr werdet ihn sehen.“ Es gibt Leben nach dem Tod. Leben nach der Angst. Leben nach dem Virus. Das ist der Wille Gottes. Die Geschichte Jesu wird weitergehen. Die Steine, die Ängste, unsere Schuld und Vergangenheit sind keine Vorboten des Todes. Sondern sie stehen im österlichen Licht des Lebens. Ich blicke auf: Der Stein ist weg! Der Beutel mit den Aromen liegt auf dem Boden. „Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“ 

Die Zeiten verschwimmen. Der Gegenwarts- und Zukunfts-Jesus stellt mich ins Sonnenlicht. In Frohnau. Vor dem Schaukasten der Johanneskirche. Ostern 2020. Hier ist ein Stein zu sehen. Dazu die Worte des Sängers und Poeten Leonard Cohen: „Hilf auch mit den Stein vom Grab wegzurollen. Allein kann ich dies Ding nicht bewegen.“ 

Das Ding lässt mich erschrecken, so wie die Frauen. Ihre wohlriechenden Öle zerbrachen. Im zerbrochenen Wohlgeruch diese Botschaft, die so schwer zu glauben ist. 

Deshalb fliehen die Frauen vom Grab mit „ Zittern und Entsetzen “, wie es heißt. Keine Österliche Freude. Das ist die große Besonderheit des Osterberichts bei Markus. Er ist vielleicht darin besonders realistisch. Denn was hat sich mit Ostern geändert? Die Ängste, die Vorboten des Todes, die wir genannt haben, sind doch noch da. Auch die Steine. Auch das Virus ist nach Ostern noch da. Es gilt doch Cohens Satz: „Allein kann ich dies Ding nicht bewegen.“ Auch nach Ostern. 

Geändert hat sich: Das österliche Licht scheint darüber hinweg, ja es scheint durch diese Ängste hindurch. Ich bin mit den Frauen hierher gekommen, in tiefer Sorge. 

Wir suchten Leben und Hoffnung. Wir wollten das Leben in die Hand nehmen, es erträglicher machen mit etwas Wohlgeruch. Doch Gott kommt uns zuvor. Echte Hoffnung ist eben nicht von Hand gemacht. Das Österliche Licht auch nicht. Wir stehen vor dem Stein. Vor Schreck zerbrechen die Flakons. In der Wolke des Wohlgeruchs, in meinem Versuch Wunden zu kühlen, in meinem Versuch den üblen Geruch des Endes zu überwinden, hat Gott seine Geschichte schon längst weiter geschrieben. Mit mir. Denn Christus als Auferstandener ist da. Er heisst Messias – Gesalbter. 

Denn er ist gesalbt nicht von mir, sondern von Gott.
Gesalbt mit dem Öl des Lebens.
Mit dem Duft der Hoffnung. Er klebt auch an mir.
Seit Ostern. 

Amen

EG 398 

In dir ist Freude in allem Leide,
o du süßer Jesu Christ!
Durch dich wir haben himmlische Gaben,
du der wahre Heiland bist;
hilfest von Schanden, rettest von Banden.
Wer dir vertrauet, hat wohl gebauet,
wird ewig bleiben. Halleluja.
Zu deiner Güte steht unser G'müte,
an dir wir kleben im Tod und Leben;
nichts kann uns scheiden. Halleluja.

Pf. Dr. Ulrich Schöntube

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