Tag der Kreuzigung des Herrn - Karfreitag

Tag der Kreuzigung des Herrn - Karfreitag

Tag der Kreuzigung des Herrn - Karfreitag

# Predigten

Tag der Kreuzigung des Herrn - Karfreitag

Lesen oder hören Sie die Predigt zum Karfreitag von Vikar Günter Hänsel. 

Musikalisch umrahmt Kreiskantor Jörg Walter die Predigt. Zu Beginn hören Sie eine Improvisation über "Holz auf Jesu Schulter" und am Schluss "Herzlich thut mich verlangen" (Melodie von "O Haupt voll Blut und Wunden") aus dem "Orgelbüchlein" von Johann Sebastian Bach.

Zurzeit ist das Sammeln einer Kollekte innerhalb des Gottesdienstes nicht möglich. Viele Einrichtungen und Projekte sind aber auf landeskirchliche Kollektenmittel angewiesen.

An Karfreitag bitten wir daher um eine Spende für die Hospiz- und Trauerarbeit.

Im Sterben und in Zeiten der Trauer suchen viele Menschen Unterstützung und Begleitung. Ambulante und stationäre Hospize sind Orte, an denen diese Begleitung angeboten wird. Dort finden schwerstkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen in der schweren Zeit Halt. Viele Menschen nehmen darüber hinaus auch nach der Beendigung einer Sterbebegleitung Angebote der Trauerbegleitung dankbar an. Diese Angebote werden nicht durch staatliche Haushalte unterstützt. Darum bitten wir Sie mit Ihrer Spende um Unterstützung. Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.diakonie-portal.de/altenarbeit-pflege

Kontoverbindung
Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schles. Oberlausitz
IBAN: DE81 1002 0500 0003 1156 00
Verwendungszweck: Spende Hospiz- und Trauerarbeit 10.04.2020 EKBO

Sie können für Ihre Spende auch das Spendenformular der EKBO nutzen unter www.ekbo.de/spenden


Predigt zum Karfreitag

Tränen steigen auf. Unruhe breitet sich aus. Schweigen stellt sich ein. Traurigkeit wird spürbar. Unsicherheit durchzieht das Denken. Angst geht um.


Liebe Hörerin, lieber Hörer,


unser Leben kennt diese Gefühle und Erfahrungen:

Eine schwere Krankheit verändert den Alltag von Grund auf. Reisen und Vorhaben müssen verschoben oder abgesagt werden.

Der Tod eines lieben Menschen löst tiefe Trauer aus. Wie geht es weiter? Wie soll ich das alles alleine bewältigen? Wer steht mir bei?

Menschen flüchten aufgrund von Gewalt und fehlender Versorgung an Leib und Seele. Das Leid schreit zum Himmel. Wann hört das auf?

Die Corona-Krise verunsichert viele. Menschen sterben. Andere erkranken schwer daran. Soziale Kontakte sind auf das Minimum beschränkt. Wie lange hält der Zustand noch an?

Das Leben verliert seinen roten Faden. Erschöpfung wird spürbar. Dinge, die sonst möglich waren, fallen immer schwerer. Was ist der Sinn meines Lebens? Woraufhin lebe ich? Wo ist mein Platz in der Welt?

Der Schriftsteller Robert Seethaler antwortet auf die Frage des evangelischen Magazins „Chrismon“: „Wer oder was hilft in der Krise?“ folgendes:

Ich hatte Phasen, da gab es keinen Trost für mich. Alles, was tröstlich gemeint war, hat den Schmerz nur verstärkt. Doch so paradox es klingt: Manchmal ist gerade das die beste Hilfe. Das Leid anzunehmen, die Krankheit, den Kummer. Es wird zu leichtfertig getröstet. Die Traurigkeit muss erst einmal ins Fließen kommen, häufig wird einem aber sofort das Taschentuch gereicht. Als Geste ist das gut gemeint, aber es heißt eigentlich: Hör auf zu weinen. Stattdessen müsste man sagen: "So, jetzt weine erst mal, du hast allen Grund dazu!" – "Ist doch alles nicht so schlimm": Das ist kein Trost.“1

Die Antwort von Robert Seethaler berührt mich und ich kann ihn gut verstehen. Trostworte wie „Das wird schon wieder“, „Halte durch“ oder „Mal schauen, für was das gut ist“ können genau das Gegenteil von Trost auslösen, nämlich Verärgerung, Unverständnis, Wut und sogar Trauer und Verzweiflung verstärken. Es gibt so viele leidvolle Situationen und Zustände im Leben und in der Welt, die sich nicht einfach mit schnellen Worten und Erklärungen lösen lassen. Deutungsmodelle versuchen Antworten und Erklärungen für unermessliches Leid zu finden, doch meist sind es vorläufige Antworten, manche lassen sich am Ende eines langen Weges finden und andere bleiben offen.

Das Kirchenjahr als Abbild unseres Lebensrhythmus und der Deutung von menschlichen Grunderfahrungen und -gefühlen im Horizont des christlichen Glaubens hat eine heilsame Dimension: Der Karfreitag (vom althochdeutschen kara, „Klage“) ist bis heute in unserem Land ein „stiller Tag“. Viele Veranstaltungen und Geschäfte bleiben an diesem Tag geschlossen. Der Karfreitag als „stiller Tag“ lädt in besonderer Weise dazu ein, innezuhalten, um an diesem Tag Schmerz, Traurigkeit, Krankheit, Leid und Kummer unseres eigenen Lebens, dem Leiden der Schöpfung und dem Leiden von Menschen in unserer Welt Raum zu geben. Wir tun dies, weil wir uns an diesem Tag an das leidvolle Sterben Jesu erinnern:

Und um die Neunte Stunde schrie Jesu laut: Eli, Eli, Lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27, 46)

Jesus, Gottes Sohn, schreit diese Worte, sie sind aus Psalm 22, in einer Situation, in der ihn Verzweiflung, Leid, Tod, Einsamkeit und Schmerz umgeben. Gott selbst ist es, der in den Menschen Jesus von Nazareth hinabsteigt, in tiefes menschliches Leid und Schmerz. Keine noch so leidvolle und schmerzhafte Erfahrung menschlichen Lebens ist ihm fern. In Leid und Trauer, in Krankheit und Schmerz ist es der mitleidende Gott, dem wir uns anvertrauen können. Er ist der Immanuel, der Gott-mit-uns! Im Sterben Jesu zeigt sich Gott verwundbar und verletzlich. Er verweist uns damit auf unsere eigene Verwundbarkeit und Verletzlichkeit. Ich finde das tröstlich: Gott kennt den Schmerz und die Wunden des Lebens, die Wunden unseres Lebens. Das Leiden der Schöpfung drängt sich an diesem Tag besonders auf: Pflanzen- und Tierarten sind bedroht oder sterben aus, Felder bringen weniger hervor. Unsere Lebensgrundlagen haben einen Riss. Gott leidet an seiner verwundeten Erde. Seiner Schöpfung. Unserem Lebensraum. Gott fühlt mit: Mit den Tieren, mit der Natur, mit den Meeren.  

Der heutige „stille Tag“, der Karfreitag, lädt uns dazu ein, Leid und Traurigkeit Raum zu geben. Das verwundete Leben anzuschauen. Schmerz und Leid Gott hinzuhalten. Ich möchte dies gerne in einem Gebet ausdrücken, das Sie gerne zum eigenen Gebet werden lassen können:

Gott,

in Jesus,

hast du

tiefes Leid,

tiefen Schmerz,

tiefe Trauer,

tiefe Traurigkeit

erfahren und erlitten.

Die Wunden des Lebens hast du gespürt,

auch unser Leben kennt das Verwundete und Zerbrochene.

Wir halten dir all das Verwundete und Zerbrochene in unserem Leben in einem Moment der Stille hin...STILLE

Gott,

wir vertrauen uns dir mit allem an.

Umhülle uns mit deiner Nähe.

Amen.


Liebe Hörerin, lieber Hörer, 


Gottes Segen umhülle Sie:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.


Bleiben Sie behütet!

Ihr Vikar Günter Hänsel



1 Chrismon (Hrsg.): Robert Seethaler über Lebenskrisen, Scham und löchrige Socken. URL: https://chrismon.evangelisch.d... (Stand: 08.04.2020

Foto: pixabay.com

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