Unser Schaukasten im September

Unser Schaukasten im September

Unser Schaukasten im September

# Schaukasten

Unser Schaukasten im September

Nicht nur für Schulanfänger ist der aktuelle Schaukasten gedacht. Das Motto „Ich habe nach dir gewonnen“ trifft auch einen Nerv von uns Erwachsenen. Es stammt aus dem kleinen gleichnamigen Büchlein von Kristina Reftel im Goldmann Verlag mit dem Untertitel: Weisheitsgeschichten für einen anderen Blick auf das Leben.

Illustriert ist es anhand von zwei Schnecken, die an Bambusstäben hinaufklettern. Die eine Schnecke ist eher da. – Da sagt die andere Schnecke: Ich habe nach Dir gewonnen.“

Und das stimmt ja auch. Auch sie hat die Strecke geschafft, also hat sie gewonnen. Man muss ja nicht immer erster sein, um sein Ziel zu erreichen. Unsere Leistungsgesellschaft verstellt uns manchmal den Blick darauf, dass es gar nicht darauf ankommt, wer als erster im Ziel ist, sondern darauf, ob wir unser Ziel überhaupt erreichen. D.h. zum einen, ob wir überhaupt ankommen, das reicht doch schon. Aber es bedeutet auch, was ist eigentlich unser Ziel? Höher, weiter, schneller, teurer? Das kann es doch nicht sein. Wer gibt diese Maßstäbe vor? Vielleicht ist die Schnecke, die darüber nachdenkt, wo sie denn eigentlich hin will und dann scheinbar als zweite am Ziel ankommt, doch in Wahrheit als erste am Ziel Denn sie hat sich vorher klar gemacht hat, dass dies wirklich ihr Ziel ist, und nicht das, was gerade angesagt ist, wo einfach alle hinwollen. Und die Schnecke, die als erste im Ziel ankommt, muss später entdecken, dass ihr das gar nichts nutzt, weil sie dort gar nicht glücklich ist, dort eigentlich nie hinwollte.  Wenn einem das erst spät im Leben klar wird, ist das sehr tragisch. Es kann tiefe seelische Krisen auslösen. Oft sind die Weichen dann so gestellt, dass eine Umkehr nicht mehr oder nur noch mit großen Anstrengungen möglich ist. Aber die lohnen sich.

Und selbst wenn beide Schnecken dasselbe Ziel hatten und sich auch darüber klar waren, wo sie hinwollten und warum, dann ist es doch kein Unwerturteil über die später ankommende Schnecke, dass sie „nur“ als zweite ins Ziel gegangen ist. Das kann doch viele Gründe haben. Vielleicht war ihr Bambusstab rutschiger und deshalb ihr Weg objektiv beschwerlicher. Oder ihre körperlichen und mentalen Voraussetzungen waren einfach andere. (Ihr Schneckenhaus ist ja auch etwas anders gemustert.) Vielleicht ist sie in jungen Jahren weniger gefördert worden, hatte ein schwieriges Elternhaus oder trägt gar ein frühkindliches Trauma mit sich herum. Berücksichtigt man alle diese Startbedingungen, hat die zweite Schnecke vielleicht viel mehr geleistet, als die erste, obwohl sie nicht als erste im Ziel war. Seien wir also vorsichtig mit unserem Urteil und  unserem Applaus für den Sieger. Ob er/sie  wirklich am Ziel ist, wissen wir nicht, und wer der beiden Wettbewerber mehr geleistet hat, wissen wir genauso wenig.

Und hoffen wir für die Schulanfänger, dass die Lehrer und auch die eigenen Eltern ebenso klug sind. 

Einen guten Schulanfang für Kinder, Eltern und Großeltern  wünscht  für das Schaukastenteam                                 

Maren Topf-Schleuning

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